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Frühling, jeder Tag ein Fest, auch in Anklam und in Stettin

 

Anklam begrüßte uns mit pommerschen Farben: überall waren abwechselnd blaue und weiße Stiefmütterchen gepflanzt. Von unserem Hotelzimmer neben dem Steintor sah man auch den Gedenkstein für die Opfer von Krieg und Vertreibung. Bei uns im Westen sah man sie besonders in den Patenstädten schon seit den fünfziger Jahren, doch in der SBZ/DDR gab es ja keine Flüchtlinge und Vertriebenen, sondern nur „Umsiedler“. Der große Findling in Anklam soll der älteste Gedenkstein in Vorpommern sein und er trägt die Inschrift: „1945, Gedenket der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, Flucht und Vertreibung aus Pommern, Ostpreußen Posen und Westpreußen, Neumark/Ostbrandenburg, Schlesien, Sudetenland und wo wir sonst zu Hause waren. Liebe, Wahrheit und Frieden!“ Zum Tag der Heimat findet dort immer eine Gedenkstunde statt und es werden besonders viele Kränze vor den Stein gelegt.

 

A. Karp im Gespräch mit Stettiner Frauen.A. Karp im Gespräch mit Stettiner Frauen.Vor 25 Jahren wurde der BdV in Anklam gegründet, das Treffen der Pommern war also eine Jubiläumsveranstaltung mit fast 700 Teilnehmern am Sonntag nach Ostern, davon waren etliche Dutzend zum ersten Male gekommen. Die Teilnehmerzahl wird nur von den Ostpreußen mit deutlich über 700 Teilnehmern übertroffen, die sich bereits im März getroffen hatten. Die anderen landsmannschaftlichen Gruppen, die sich im Laufe des Jahres in Anklam treffen, sind allerdings wesentlich kleiner. Das landwirtschaftlich geprägte Vorpommern musste nach dem Kriege besonders viele Vertriebene und Flüchtlinge aufnehmen.

 

Nach der Begrüßung durch Manfred Schukat begann die Veranstaltung mit einer Andacht von Pastor Philipp Staak aus Spantekow, der viel über das Wirken seines aus Schlawe gebürtigen Großvater Walter Kusch berichtete, der nach dem Kriege Pastor in Usedom gewesen ist und der besonders viele Besuche bei den „Neusiedlern“ machte, um ihnen ein Stück Heimat zu vermitteln. Er schloss mit dem Choral „Nun danket alle Gott“. Nach den Grußworten der Ehrengäste aus der Umgebung kam Rita Scheller aufs Podium und nahm den Begriff „Dank“ auf, dankbar, dass sie 1945 ein Grundschulkind gewesen ist, weder eine junge noch eine alte Frau, die die Strapazen nur kurze Zeit überlebt hätte ... Dankbar, dass man sich im Westen schon früh zusammenschließen und Heimatzeitungen lesen konnte. Sie appellierte an die Versammelten, weiter die PZ als Bindeglied zwischen den Heimatvertriebenen zu abonnieren. Nach ihr sprachen die Vertreter der Heimatverbliebenen, wie Detlef Rach aus Stolp, Peter Jeske aus Köslin, Thomas Krause aus Stettin und Peter Nycz für Stargard und die Kriegsgräberstätte Glien/Neumark. Aufgelockert wurden die Grußworte durch den Posaunenchor aus Bansin.

 

Pommern tanzt und singt.Pommern tanzt und singt.Dr. Wilfried Hornburg vom Museum am Steintor führte uns mit mancherlei Anekdoten in die Geschichte ein und griff einen bedeutenden Landsmann aus den Städten, die jetzt deutsche Vereine haben, heraus: für Stolp den Gründer des Weltpostvereins Heinrich von Stephan, für Köslin den Flugpionier Hans Grade, für Stettin den Schauspieler Heinrich George. Für Rummelsburg war es der Astronom Julius Franz, Der Mondkrater „Franz“ ist nach ihm benannt. – Die Sprecherin der PLM, Frau Margrit Schlegel, machte auf der Reise von Travemünde nach Misdroy mit den Mitgliedern des Pommerschen Kreis und Städtetage, mit ihrem Bus ein paar Stunden in Anklam Station und sprach ein herzliches Grußwort.

 

Gestärkt an Geist, Leib und Seele nach vielen Gesprächen, die trotz des vollen Programm möglich waren, zogen wir am frühen Abend wieder ins Quartier. Der gesamte Vorstand des Pommernkonvents bis auf ein erkranktes Vorstandsmitglied, aber mit den beiden Kassenprüfern und der Ehrenvorsitzenden hatte einen ganzen Tisch im Volkshaus belegt gehabt und nutzte die Gelegenheit, um den Einsatz beim Pommerntreffen in Travemünde am 4./5. Juni zu besprechen. Dabei wird der Vorsitzende Pastor Ehricht den Festgottesdienst am Sonntag, den 5. Juni, halten. Bereits am Samstag wird der Pommernkonvent eine Andacht in der Versöhnungskirche mit anschließender Fragestunde halten. Der genaue Termin soll sich nicht mit den Stettinern überschneiden und soll noch abgesprochen werden.

 

Pastor Sikora dankt für die Hilfe von Helferbund und Pommernkonvent.Pastor Sikora dankt für die Hilfe von Helferbund und Pommernkonvent.Am Sonntag traf sich der Pommernkonvent in Stettin zum deutschen Gottesdienst und der anschließenden Stunde der Begegnung. Die Anreise per Bahn war kompliziert, weil es immer noch Schienenersatzverkehr von Löcknitz nach Stettin gibt. Die Bahn begründete es mit Arbeit an den Gleisen, die lokale Anklamer Presse vom 2. April hatte jedoch herausgefunden, dass das Streckennetz längst in Ordnung ist, doch dass die polnische Eisenbahn immer noch nicht die modernen und bequemen Triebwagen genehmigt hat, die seit einem halben Jahr in Deutschland verkehren. Ein Schelm, der Böses denkt! Der Stettiner Bahnhof wird weiter renoviert, die Fassade ist bereits ansprechend. Es sieht fast so aus, als ob am östlichen Ende Rolltreppen im Entstehen sind – das würde das Gepäckschleppen wesentlich erleichtern.

 

Seniorenrunde in StettinSeniorenrunde in StettinIn Stettin trafen wir rechtzeitig zum deutschen Gottesdienst ein, der diesmal im Gemeindesaal stattfand, der schon festlich geschmückt war. Wir waren über dreißig Teilnehmer, von denen ein Dutzend am Vortage in Anklam gewesen war. Der junge, umsichtige Gemeindeälteste Uwe Burmester, der auch stellvertretender Vorsitzender im Pommernkonvent ist, hatte alles liebevoll vorbereitet. Ludwik von der Diakoniestation hatte einige der schon hinfälligen Gemeindeglieder abgeholt, doch leider fehlte das Ehepaar Tobianski trotzdem. Nach der herzlichen Begrüßung durch Pastor Sikora hielt Pastor Ehricht die nach-österliche Andacht. Er stimmte nicht nur die Choräle an, sondern später mit großer Begeisterung auch die volkstümlichen Frühlingslieder. Die alten Menschen hören nicht mehr so gern lange zu, doch die Lieder wecken noch einmal ihre Kräfte. Pastors Tochter Hannah hatte am 3. April ihren sechsten Geburtstag. Sie bekam ein dreifaches Geburtstagsständchen: zuerst auf Polnisch, dann auf Deutsch, zuletzt auf Englisch, was sie offensichtlich auch vom Kindergarten kannte. Ihre Mutter, die ordinierte Diakonin Iza Sikora, erzählte, dass auf der kürzlichen Synode in Warschau wieder über die Frauenordination zur Pastorin gesprochen worden sei. Erstmals hätten die Befürworter eine deutliche Mehrheit gehabt, doch noch nicht die ausreichende 2/3 Mehrheit. Das gibt Hoffnung, auch für den Landesbischof Jerzy Samiec, der sich stark dafür einsetzt. Schellers verabschiedeten sich bis zur nächsten gemeinsamen Bibelstunde am Samstag, den 11. Juni, eine Woche nach den Pommerntagen in Travemünde.

Rita Scheller